top of page

Bahnhof Harlingerode: Aufstieg und Fall unserer Bahnstation

  • harlingerode-pur
  • 10. Sept. 2021
  • 13 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. März

Der Bahnhof Harlingerode am 16. November 1974. Foto: Werner Martsch, mit freundlicher Genehmigung. Lok: 050 413.
Der Bahnhof Harlingerode am 16. November 1974. Foto: Werner Martsch, mit freundlicher Genehmigung. Lok: 050 413.

Zwischen 1912 und 1987 wurde Harlingerode durch den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bedient. Der Bahnhof Harlingerode wurde am 1. Mai 1912 als Personen- und Güterbahnhof eröffnet. Der Passagierzugang befand sich am heutigen Südende des Fleischerwegs, zudem gab es bis 1998/99 Güterverkehr über die Abzweigstraße zum Gewerbepark Landstraße 51.


Seit 2021 setzt sich Harlingerode PUR e.V. für die Reaktivierung des SPNV in Harlingerode ein. Der Bahnhof kann nicht in seinem ursprünglichen (ab 1982) bestehenden Zustand reaktiviert werden, und das ist aus Erschließungsgründen auch nicht wünschenswert. Unsere erste Vorstellung ist ein Haltepunkt auf der Fläche des stillgelegten und brachliegenden Gleisanschlusses nördlich vom E-Center Bergmann.


Das originale Vorschlagspapier vom 6. Januar 2021 kann hier als PDF aufgerufen werden. Auf dem Wikipedia-Artikel Bahnhof Harlingerode finden sich ferner weitere Informationen, die sorgfältig durch Till-André Diegeler dokumentiert und belegt wurden.


Geschichtlicher Bahnhof-Abriss


Seit rund 35 Jahren hielt kein Passagierzug mehr in Harlingerode. Es ist von daher konsequent, dass sich nur noch Alteingesessene an die einstige Bahnstation erinnern, die meisten nur noch vage in seinem "Endstadium" als betrieblich fast komplett zurückgebauter Haltepunkt. Dass der Bahnhof Harlingerode eine bewegte und dokumentierungswürdige Geschichte hat, ist leider (noch) nur den wenigsten bewusst.


Wir von Harlingerode PUR sind hier, um aufzuklären.


Zunächst eine grobe Chronologie der Bahnhofsentwicklung:

1907-1909

Standortplanung

1910

Baubeginn des Bahnhofs

1. Mai 1912

Feierliche Eröffnung des Bahnhofs

1938/39

Grube Hansa erhält Gleisanschluss mit Erzverladung

23. August 1960

Grube Hansa wird stillgelegt; Erzverlade-Gleisanschluss wird überflüssig

bis 1973

Stilllegung des Gleises 3

Späte 1970er-Jahre

Rückbau des Gleisanschlusses Sägewerk Klages

1. November 1981

Güteranschluss wird verkauft

Bis Frühjahr 1982

Rückbau fast aller Bahnanlagen zum Haltepunkt, Verkauf von Empfangsgebäude und Vorplatz

31. Mai 1987

Stilllegung des Haltepunkts

1998/99

Stilllegung des 1981/82 verkauften Gleisanschlusses und somit der letzten historischen Bahnhofsanlage

2015/16

Reaktivierungsüberprüfung im Rahmen der "Stationsoffensive" der DB Station&Service AG

2021

​Reaktivierungswunsch von Harlingerode PUR e.V. öffentlich

2024

Vorbehaltl. Bestätigung Einbindbarkeit in Fahrplan, Nutzwertanalyse zur Standortbestimmung, Aufnahme in SPNV-Konzept 2040+ des Landes Niedersachsen


1907: Planung beginnt


Das "Licht der Welt" erweckt der Bahnhof Harlingerode in der Theorie erstmals offiziell, als die Preußische Eisenbahndirektion Planungen für die zu errichtende Bahnstrecke Oker– Bad Harzburg festlegte. In diesen Planungen waren die örtlichen Industriellen eine der entscheidenden Stimmen, und einer von ihnen war der Holzfabrikant Heinrich Klages (1875– 1969).


Heinrich Klages war Alleininhaber des Sägewerks in Harlingerode, das unter der Firma H. Klages zu Harlingerode im Harz lief. Er ist bis heute Namensgeber der Klagesstraße, in Gedenken an das niedergebrannte Sägewerk auf dem Gebiet des jetzigen Harlingeröder Nahversorgungszentrums.


Ursprünglich war der Bahnhof an einer anderen Stelle vorgesehen, die für den Holzfabrikanten ungünstig gewesen wäre. Die ursprünglich geplante Stelle ist Harlingerode PUR leider nicht bekannt. Es ist in der Stadtchronik aber bezeugt, dass die Lage des Bahnhofs wirtschaftlich für Klages von Nachteil war.


Bekannt ist, dass er damit drohte, der zuständigen Bahnbehörde seine Zustimmung zu verweigern, wenn die geplante Position nicht geändert würde. Dadurch forderte auch die Kreisdirektion Wolfenbüttel eine geänderte Lage, sodass dem Wunsch stattgegeben wurde. Weitere Änderungen des Bebauungsortes sind nicht bekannt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass der Standort des alten Harlingeröder Bahnhofs in Rücksicht auf das Sägewerk Klages stattfand. Spätere Lagepläne dokumentieren ein ausgiebiges Gleisnetzwerk für dieses Sägewerk als Güterkunden.


1910: Baubeginn des Bahnhofs


Der Bau der Bahntrasse Oker-Bad Harzburg begann am 15. Juli 1910. Zunächst mussten für die Gleisanlagen umfangreiche Erdarbeiten durchgeführt werden: 230.000 m³ wurden für die Bahnstrecke bewegt das ist so, als würde man einen 61 Meter breiten, hohen und langen Erdwürfel abbauen und an anderer Stelle wieder aufbauen. Zudem mussten Entwässerungsanlagen parallel zu den Gleisen erstellt werden.


Für den Bahnhof Harlingerode mussten 140.000 m³ bewegt werden (Würfel mit 52 Metern Kantenlänge). Oder um ein anderes Beispiel zu wählen: Der gesamte Edeka-Parkplatz mit seinen ca. 3.300 m² würde mit 40 Metern Erde aufgeschüttet. Bis heute zeugen steile Abhänge im Bereich nördlich der Klagesstraße und südlich des Fleischerwegs von den Konturen des Bahnhofs.


Das Empfangsgebäude in Harlingerode gibt es übrigens ein zweites Mal: Im Dorf Hedeper bei Hornburg im Landkreis Wolfenbüttel steht ein zum Verwechseln ähnliches Gebäude (Bild im Link oben rechts, Link zum Standort auf Google Maps). Die anliegende Bahnstrecke ist im Gegensatz zu Harlingerode allerdings stillgelegt.


1. Mai 1912: Feierliche Eröffnung des Bahnhofs


Die offizielle Eröffnung erfolgte am 1. Mai 1912. Er war ein Bahnhof IV. Klasse (damals gab es nur Bahnhöfe I.-IV. Klasse) und für Personen, Güter, Gepäckstücke, Privattelegramme, Leichen und Lebendtiere zugelassen. 4


Im Ort wurde das Ereignis gefeiert. In einem Artikel der Goslarschen Zeitung vom 22. Januar 2000 wird Klaus Röttger zitiert, der über dieses Ereignis schrieb:


Der erste Zug fuhr morgens 6.09 Uhr vom Harzburger Bahnhof ab. Von offiziellen Feierlichkeiten wurde abgesehen. Die Harlingeröder wollten das Ereignis aber nicht so einfach vorbeirauschen lassen. Nicht nur den Bahnhof auch das Dorf selbst hatten sie mit Fahnen und Fichtengrün prächtig geschmückt, um den ersten Zug und seine Fahrgäste festlich zu empfangen. Es stieg aber nur als einziger der Büffetier Hoffmann aus Bad Harzburg aus. Umso begeisterter wurde er von der wartenden Menge empfangen. Die Harlingeröder führten „ihren" ersten Eisenbahnfahrgast im Triumphzug durch den Ort und landeten mit ihm nacheinander in den verschiedensten Gasthäusern.

Das obenstehende Zitat ist ein Auszug aus einem Artikel. Er ist auf Friedharts Eisenbahnseiten veröffentlicht.


Weiterhin wurde ein Wohngebäude zu Dienstzwecken für den Bahnhof errichtet. Es handelt sich um das bis heute bestehende Haus Viehweide 14 und wurde zusammen mit dem Bahnhof bis 1909 geplant. Hier war noch bis etwa 2020 einer der letzten ehemaligen Arbeiter auf dem Bahnhof wohnhaft.


1926: Ältester bekannter Gleisplan


Die brachliegende Laderampe im Süden ist auf dem Bild rund 110 Jahre alt. Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021.
Die brachliegende Laderampe im Süden ist auf dem Bild rund 110 Jahre alt. Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021.

Der älteste bekannte Gleisplan (die Veröffentlichung des Originaldokuments ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich; eine schematische Darstellung folgt weiter unten) dokumentiert für den Bahnhof Harlingerode sechs Gleise, die zu diesem Zeitpunkt alle aus Richtung Bad Harzburg und Oker befahren werden konnten. Das nördlichste hieß Gleis 8 und verlief direkt südlich einer Ladestraße, die bis heute architektonisch südöstlich des Wohnhauses Fleischerweg 12A erhalten ist. Es diente der Güterverladung aus Norden.


Direkt südlich befand sich das Gleis 1. Laut der Aussage eines ehemaligen Bahnbeamten namens Opitz, der allerdings erst in der letzten Häfte des 20. Jahrhunderts am Bahnhof tätig war, diente dieses Gleis hauptsächlich den in Harlingerode ein- und ausfahrenden Personenzüge, die einen Ein- und Ausstieg im Bahnhof zulassen. Man konnte ihn über den Bahnsteig 1 erreichen. Der Bahnsteig 1 war der Hausbahnsteig und lag direkt südlich des Empfangsgebäudes.


Das Gleis 2 konnte ebenfalls für den Passagierverkehr benutzt werden. Es war schon damals das durchgehende Hauptgleis und ist das heutige Gleis der Bahnstrecke. Über den Bahnsteig 2 war Ein- und Ausstieg möglich. Dieser befand sich südlich des Gleises 1. Eine Postkarte von ca. 1920 belegt fotografisch, dass sich die Fußgängerüberquerung des Gleises 1 zum Bahnsteig 2 zu dieser Zeit direkt gegenüber dem Empfangsgebäude befand.


Direkt südlich vom Gleis 2 führte das Gleis 3, dessen genaue Funktion unbekannt ist. Es konnte aber zum Rangieren benutzt werden.


Die aufgegebenen Gleise 4 (links) und 5 (mittig). Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021
Die aufgegebenen Gleise 4 (links) und 5 (mittig). Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021

Die Gleise 4 und 5 dienten eindeutig dem Güterverkehr. Sie waren durch zwei Gleissperren auf dem Gleis 4 (eine in Richtung Oker, eine in Richtung Bad Harzburg) vor dem restlichen Bahnbetrieb gesichert und mussten - das belegt die Unterhaltung mit einem Eisenbahner - aufwändig durch einen Schlüssel geöffnet werden, der vom Fahrdienstleiter (dem "Überwacher" eines Bahnhofs, der für den ordnungsgemäßen Betrieb zuständig ist) übergeben wird. Das Gleis 5 war das südlichere der beiden Gleise. Über eine bis heute baulich existierende Laderampe fand hier Güterverladung auf südlicher Seite statt. Das Gleis 4 wurde zum Rangieren benutzt.


Am Gleis 4 aus Richtung Oker war das Sägewerk Heinrich Klages mit einem privaten Gleisanschluss verbunden. Insgesamt vier Gleise (Bezeichnung: K1 bis K4) erstreckten sich von hier aus nach Südosten, das östlichste reichte bis zur Höhe des heutigen Penny-Marktes. Gleisschwellen aus dieser Zeit des alten Sägewerks sind bis heute am äußersten Ende des Landstraßen-Abzweigs, kurz vor der Privatzufahrt zu QGT Quarzglas, bei genauerem Hinsehen erkennbar.


Fun Fact: Der Plan belegt auch, dass die bewaldete "Müllsenke" nördlich vom Penny-Markt ein Klärbecken (eingezeichnet als Klär-Bassin) war. Der genaue Zweck und die genaue Funktionsweise ist aber nicht bekannt.


1938/39: Grube Hansa erhält Gleisanschluss mit Erzverladung


1953: Die Kettenbahn der Grube Hansa (unten, mittig) und die Erzverladestation (unten, links) waren an die Bahn angeschlossen und beförderten Eisenerz. Urheber: Herbert Ahrens / Bad Harzburg Stiftung
1953: Die Kettenbahn der Grube Hansa (unten, mittig) und die Erzverladestation (unten, links) waren an die Bahn angeschlossen und beförderten Eisenerz. Urheber: Herbert Ahrens / Bad Harzburg Stiftung

Hinweis: An dieser Stelle danken wir der Bad Harzburg Stiftung für ihre freundliche Genehmigung zur Nutzung einige ihrer Bilder. Mehr zeitgenössische Aufnahmen finden Sie hier!


Die Eisenerzgrube Hansa förderte bereits seit dem Jahr 1865 oolithisches Eisenerz aus dem Langenberg und den südlich vorgelagerten Eisenerzlagern. Sie war zunächst zusammen mit der anderen Eisenerzgrube in der heutigen Stadt Bad Harzburg, der Grube Friederike in Bündheim, am 15. März 1932 wegen der Weltwirtschaftskrise stillgelegt. Durch den massiv gestiegenen Ressourcenverbrauch des NS-Staats nahm sie aber am 1. November 1935 wieder ihren Betrieb auf und erreichte 1937 eine Belegschaft von 248 Personen.


Seit 1902 war zunächst eine Drahtseilbahn zur Mathildenhütte in Betrieb, um ihr Erz abzutransportieren. Die Mathildenhütte war eine alte Eisenschmelze im Radautal zwischen Schlewecke und Westerode an der Bahnhofstraße, an die bis heute die extrem engen Häuser an der Straße Mathildenhütte erinnern. Auf einer Karte aus dem Jahr 1930 ist der Verlauf der Drahtseilbahn belegt: Sie führte vom Südrand der Grube Hansa an der Göttingeröder Straße quer fast direkt nach Osten über das Wohngebiet "In der Nachthude", streifte am Nordrand das heutige Wohngebiet "Am Langenberg", kreuzte an der Einmündung der Straße Krautgarten die Landstraße, überquerte die Bruchstraße (im frühen 20. Jahrhundert bis ca. 1960 ein Feldweg) wenige dutzend Meter nördlich ihrer Einmündung in die heutige Breite Straße, führte quer durch die heutige Schlewecker Trift und mündete östlich der Bahnlinie Oker-Bad Harzburg in die Mathildenhütte. Die Drahtseilbahn wurde am 20. Mai 1943 abgebaut und in der Stadt Konin in Polen wiedererrichtet. Ihr weiteres Schicksal ist PUR nicht bekannt.


Ungefähr zum Jahreswechsel 1938/39 wurde der Gleisanschluss der Grube Hansa am Bahnhof Harlingerode eröffnet. Wir haben ein Bild vom "Lageplan für den Gleisanschluß der Fa Harz-Lahn-Erzbergbau A.G.". Die Einmündung des Gleisanschlusses in die Bahnstrecke Oker-Bad Harzburg war nur aus Richtung Oker direkt erreichbar und lag im Gegensatz zum Gleisanschluss des Sägewerks Klages etwa 400 Meter westlich vom Empfangsgebäude des Bahnhofs. Der Gleisanschluss verfügte über zwei direkt nebeneinander verlaufende Gleise mit den Namen H1 (nördliches Gleis) und H2 (südliches Gleis), die sich nach Nordwesten kurz vor der Einmündung in die Bahnstrecke vereinigten. Dieser Gleisanschluss hatte eine eigene Brücke über die heutige Straße Viehweide, die fast unmittelbar südlich der heutigen Bahnbrücke lag.


Von der Verladestelle verlief eine kurze, aber baulich markante Kettenbahn über die Landstraße zur Grube Hansa im Süden. Über diese Kettenbahn wurden Erzloren aus dem Bergwerk zur Verladestelle befördert, wo Erzzüge beladen wurden. Im März 1950, als das Eisenbergwerk fast seine Höchstförderleistung erreichte, wurden über diesen Gleisanschluss in diesem Monat rund 270 Waggons mit rund 150.000 Tonnen Erz an Hüttenorte in ganz Westdeutschland verschickt.


23. August 1960: Grube Hansa wird stillgelegt; Erzverlade-Gleisanschluss wird überflüssig


Seine Geschichte endete logischerweise am 23. August 1960 mit der Stilllegung der Grube Hansa.


Der Bahndamm ist bis heute westlich der Viehweide erkennbar und vereinzelte Ruinenstücke vorhanden, wobei deren Ursprung in der Bevölkerung fast unbekannt (und, bei aller Ehrlichkeit, auch extrem uninteressant) ist. Der Bahndamm östlich der Brücke ist von mehreren Unternehmen überbaut worden. Die Erzverladestelle, die Kettenbahn und alle zusammenhängenden Gebäude sind abgerissen.


1970er: Erste Rückbauten (Gleis 3, Klages-Anschluss)


Das Gleis 3 ist auf Bildern ab 1974 nicht in Betrieb sichtbar. Im Bahnhof Harlingerode fanden dennoch mindestens bis 1976 planmäßige Zugkreuzungen statt. Im unteren Bild ist der von Bad Harzburg nach Goslar fahrende Kurswagenzug E 2164 abgebildet, der auf den in Gegenrichtung fahrenden Heckeneilzug von Kreiensen über Goslar, Bad Harzburg, Braunschweig und Wittingen nach Flensburg wartet. Der letzte planmäßig fahrende Dampfreisezug durchquerte am 29. Mai 1976 den Bahnhof Harlingerode.


Leider ist die genaue Entwicklung des Gleisanschlusses des Sägewerks Klages zu ungenau bekannt, um hier Erläuterung zu finden. Möglicherweise vor 1970 wurde das Gleis 3 stillgelegt, da es in den neueren Lageplänen (1973, 1975, 1982) nicht mehr eingezeichnet war. In einem Feuerlöschlageplan aus dem Jahr 1973 sind die Gleisanlagen in derselben Grundform wie 1926 nachgewiesen, im acht Jahre älteren Lageplan von 1981 sind die Bahnanlagen des Sägewerks Klages bis auf das verglichen zu 1926 gekürzte Gleis K3 der Firma Bona-Möbel (heute anderes Unternehmen) fast vollständig zurückgebaut.


Ein Lageplan aus dem Jahr 1975 wählt Buchstaben statt Zahlen für die Bahnsteige (Bahnsteig 1 = Bahnsteig A, Bahnsteig 2 = Bahnsteig B).




Wie der Bahnhof Harlingerode außerhalb der abstrakten Pläne aussah, ist unten sichtbar: Das Bild wurde im Jahr 1976 auf dem Mittelbahnsteig B geschossen, längst abgebaute Bahninfrastruktur wie das Gleis 8 (ganz rechts im Bild) und die Signaltechnik sind zu erkennen. Der Bahnhof wurde für Zugkreuzungen genutzt: Der im Bild gezeigte Leerreisezug (Lr) 34035 verkehrte von Goslar nach Bad Harzburg und wartete planmäßig auf einen von Bad Harzburg nach Goslar, also in die Gegenrichtung und ebenfalls planmäßig verkehrenden Triebwagen der Baureihe BR 515 (Akkumulatortriebwagen).


Foto: Werner Martsch, mit freundlicher Genehmigung, 6. März 1976. Zug: Lr 34035.
Foto: Werner Martsch, mit freundlicher Genehmigung, 6. März 1976. Zug: Lr 34035.

Stellwerk und Hausbahnsteig mit Empfangsgebäude am 23. Mai 1976. Rechts im Bild der Reisendenüberweg zum Mittelbahnsteig und das Privatlager Märker-Holz. Urheber: Martin Krieg / Lizenz: Creative Commons BY-NC-ND 4.0
Stellwerk und Hausbahnsteig mit Empfangsgebäude am 23. Mai 1976. Rechts im Bild der Reisendenüberweg zum Mittelbahnsteig und das Privatlager Märker-Holz. Urheber: Martin Krieg / Lizenz: Creative Commons BY-NC-ND 4.0

Das östliche Einfahrsignal wurde aus dem Stellwerk Harlingerode gesteuert und befand sich wenige Meter westlich der Bruchstraße. Die Ausfahrsignale im westlichen Teil wurden aus dem Betriebsbahnhof Oker Ost bedient.


1981/82: Anlagen des Passagierbahnhofs auf Betriebsminimum (Haltepunkt) zurückgebaut


Jedoch zeichnete sich zusehends die schwindende Rolle der Bahn in Harlingerode ab. Der Bahnhof lag weit entfernt zu den damaligen Neubaugebieten östlich der Bruchstraße und südlich der Landstraße. Im Empfangsgebäude selbst befand sich zwar u.A. eine Kneipe, aber die Umgebung auf einer steilen Anhöhe nördlich der Altfeldwiese ließ keine nennenswerte Umfeldentwicklung zu. Zuletzt deutete sich der Rückzug aus kleineren Orten schon Ende der 1970er-Jahre an: Der benachbarte Haltepunkt in Schlewecke wurde im Sommer 1976 aufgegeben, Kosteneinsparungen im Bahnwesen waren politisch erwünscht.



Das wüstliegende Gleis K3 ("Klages 3") bei CAR Recycling kennt kaum noch jemand. Es ist das letzte nachgewiesenermaßen benutzte Gleis des Sägewerks Klages. Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021
Das wüstliegende Gleis K3 ("Klages 3") bei CAR Recycling kennt kaum noch jemand. Es ist das letzte nachgewiesenermaßen benutzte Gleis des Sägewerks Klages. Foto: Till-André Diegeler, 9. September 2021

Ein im Oktober 1981 gedruckter Lageplan namens "Bf Harlingerode - Umwandlung in eine Ausweichanschlußstelle" zeigt die letzte große Rationalisierungsmaßnahme des Bahnhofs Harlingerode. Das Stellwerk am Empfangsgebäude, Sitz des Fahrdienstleiters, wurde 1982 stillgelegt. Das Gleis 1 wurde mit dem Bahnsteig zurückgebaut und verfüllt. Übrig blieb nur das Gleis 2 als Durchgangsgleis, über das heute die Bahnstrecke Oker-Bad Harzburg ohne Halt verläuft. Da der betrieblich abgetrennte Bahnhof Harlingerode alle Weichen verlor, wurde er betrieblich zu einem Haltepunkt. Der historische Mittelbahnsteig wurde allerdings noch einmal mit neuer Beleuchtung und einem Passagierunterstand ertüchtigt. Hier hängte man bis zur Stilllegung auch die alte Emaille-Tafel am Empfangsgebäude auf.


Das Empfangsgebäude mit dem ehemaligen Stellwerk und Vorplatz sowie weiteren Bahngrundstücken wurden um 1982 an die Familie Borchers ("Borchershausen") verkauft. Auch die Zuwegung zur Viehweide wurde mutmaßlich in diesem Zeitraum veräußert; die Stadt Bad Harzburg war an einer Übernahme als öffentlichen Weg nicht interessiert. Die alte Zuwegung von Westen am Gebäude vorbei war damit gesperrt. Der Haltepunkt wurde ersatzweise durch eine Zuwegung östlich vom alten Empfangsgebäude an den Fleischerweg angebunden.

Die südlichen, ausschließlich durch den Güterverkehr genutzten Gleisanlagen mit den Gleisen 4 und 5 wurde betrieblich vom Bahnhof abgetrennt und in einen Gleisanschluss umgewandelt. Die schon damals bereits 60-70 Jahre alte Laderampe wurde am 1. November 1981 an das Unternehmen QGT Quarzglas verkauft. Alle restlichen Bahnanlagen verschwanden ersatzlos.


Der bereits stark zurückgebaute Bahnhof Harlingerode am 30. Mai 1985. Foto: Rainer Güttler, mit freundlicher Genehmigung. Zug: 612 507 + 912 601 als Eilzug 3531
Der bereits stark zurückgebaute Bahnhof Harlingerode am 30. Mai 1985. Foto: Rainer Güttler, mit freundlicher Genehmigung. Zug: 612 507 + 912 601 als Eilzug 3531

In den letzten Jahren hielten in Harlingerode Dieselzüge. Bis 1985 machten hier Züge der Baureihe 612 ("Eierköpfe") als Teil der Linie Braunschweig – Bad Harzburg – Altenbeken ihren Dienst. Hierzu gehörte auch der von Reiner Güttler aufgenommene Zug 612 507. Genau dieser ist ein ganz besonderer Zug, denn er wurde als eine der wenigen seiner Art bis heute erhalten und ist heute, in den 2020er-Jahren, als "Stuttgarter Rössle" ein sehr beliebter Museumszug. Auch Harlingerode stattet er dabei als Sonderzug nach Bad Harzburg sehr sporadische Durchfahrbesuche ab.


Die letzten Züge in Harlingerode zählten zur bis heute verbreiteten Baureihe 218. Sie hielten aber nur noch vereinzelt, denn die Zughalte wurden in Harlingerode im Vorfeld bereits weitgehend gestrichen.


Bahnsteig am 1. April 1987, wenige Wochen vor der Stilllegung. Urheber: Verkehrsbildarchiv (Flickr), mit freundlicher Genehmigung.
Bahnsteig am 1. April 1987, wenige Wochen vor der Stilllegung. Urheber: Verkehrsbildarchiv (Flickr), mit freundlicher Genehmigung.


31. Mai 1987: Stilllegung des Passagierhaltepunkts


Das Ende für Harlingerode war bis Mitte 1986 endgültig entschieden. Im letzten Fahrplan fehlten fast alle Halte in Harlingerode. In den beginnenden Planungen für das heutige Gewerbegebiet an der Klagesstraße auf der anderen Gleisseite spielte der Haltepunkt keine Rolle. Auch politisch ist zumindest kein auffallendes Interesse an seinem Erhalt zur damaligen Zeit bekannt, obwohl er (im Gegensatz zu Schlewecke) noch in den letzten Jahren eine gewisse Fahrgastfrequenz aufgewiesen haben soll.

Foto: Rainer Güttler, 30. Mai 1987, mit freundlicher Genehmigung.
Foto: Rainer Güttler, 30. Mai 1987, mit freundlicher Genehmigung.

Ab dem 31. Mai 1987 wurde der Haltepunkt Harlingerode nicht mehr von Passagierzügen angefahren. Daraufhin wurden auch die letzten Reste des Vorplatzes und der bis dahin zur Bahn gehörige Teil des Fleischerwegs von der Bahn verkauft. Die einstige Zuwegung ist seitdem vollständig in Privatbesitz und kein öffentlicher Weg mehr. Die Grundstücksfläche des letzten Bahnsteigs verblieb bei der DB, ist aber ungenutzt und öffentlich nicht mehr zugänglich. Der erst wenige Jahre zuvor ertüchtigte Bahnsteig wurde zurückgebaut. Bei der Bahn blieb ferner noch eine Fläche für einen Anfang der 1980er-Jahre herum errichteten Funkmast.


Der Bereich um das Empfangsgebäude wurde zunehmend zu einem Wohngebiet umgestaltet. Die Häuser Fleischerweg 14 (westlich) und 12A (östlich) wurden neu errichtet. Die Geschichte des Fleischerwegs und des alten Passagierbahnhofs endete hiermit.


1998/99: Stilllegung des 1981/82 verkauften Gleisanschlusses und somit der letzten Bahnhofsreste


Der Gleisanschluss mit den Gleisen 4 und 5 überlebte die Stilllegung des Passagierhaltepunkts zunächst. Er wurde zuletzt von der Firma Sievers Granit für Gütertransporte benutzt. Kurz vor 2000 wurde dieser Gleisanschluss im Rahmen von MORA C stillgelegt; ein 2001 geschossenes Bild belegt, dass das Privatgleis zu diesem Zeitpunkt schon abgetrennt war. Die letzten Überbleibsel des alten Bahnhofs endeten somit sang- und klanglos.


Um 2000 herum wurde sogar die Stilllegung der gesamten Strecke von Bad Harzburg nach Oker befürchtet, da sie sich in einem zunehmend schlechten Zustand befand. Diese wurde jedoch letztendlich nicht ernsthaft verfolgt.


2015/16: Überprüfung im Rahmen der "Stationsoffensive" der DB Station&Service AG


In einer Zeit, in der Harlingerode als Passagierhaltepunkt bereits fast ein Jahrzehnt stillgelegt war, wurde in Deutschland im Rahmen der Bahnreform die Regionalisierung durchgeführt. Daraus entwickelte sich der Zweckverband Großraum Braunschweig, später umbenannt in Regionalverband Großraum Braunschweig. Zugleich wandelte sich in den folgenden Jahrzehnten der Status der Bahn, weg von einem veralteten und durch Ineffizienz finanzierungsunwürdigen Relikt vergangener Zeiten hin zu einem wichtigen Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs. In diesem Sinne entwickelte die damalige DB Station&Service im Jahr 2015 die "Stationsoffensive", die in Absprache mit den zuständigen Regionalverbänden zur Reaktivierung von Bahnstationen führt, für die eine Stilllegung aus heutiger Sicht nicht angebracht ist.


Für Harlingerode fand eine Überprüfung der Reaktivierbarkeit durch die DB Netz statt, die im August 2016 fertiggestellt war. In dieser wurde festgestellt, dass Harlingerode mit seiner Einwohnerzahl eine ausreichende Nachfrage für den Neubau eines Bahnsteigs aufweisen könnte. Jedoch schied Harlingerode aus der Betrachtung aus, da keine der beiden Zuglinien (RB 82, RE 10) in Harlingerode hätte halten können. Der RE 10 schied als Regionalexpress aus; die RB 82 konnte mit Dieselzügen im Fahrplan keinen weiteren Halt aufnehmen.


Ab 2021: Reaktivierungswunsch von Harlingerode PUR e.V.


Alter Bahnhof und Prüfkandidaten für eine Machbarkeitsstudie (Stand: 2024)
Alter Bahnhof und Prüfkandidaten für eine Machbarkeitsstudie (Stand: 2024)

Am 6. Januar 2021 schlug Harlingerode PUR nach ersten, internen Überlegungen die Reaktivierung des Passagierbahnhofs Harlingerode vor. Nach einer kurzen Werbeaktion im Ort konnte ab Mai 2021 der Kontakt zum Regionalverband Großraum Braunschweig aufgenommen werden. Unser Vorschlag wurde in einer Karte des Regionalverbands Großraum Braunschweig aus dem Juli 2021 unter dem Punkt "Vorüberlegungen" berücksichtigt.


Die weiteren Entwicklungen können über diesen Link gelesen werden.


Quellen:


Wikipedia: Bahnhof Harlingerode (für weitere Informationen)


Harald Meier, Kurt Neumann: Bad Harzburg – Chronik einer Stadt. 2000, S. 47f (Artikel zur Vorgeschichte bis 1912)

Harald Meier, Kurt Neumann: Bad Harzburg – Chronik einer Stadt. 2000, S. 93f (Daten zur Grube Hansa)


Klaus Röttger: Die Bahn Bad Harzburg-Goslar wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut. 200, siehe http://www.eisenbahn-harzvorland.de/htm/str_bh_gs.htm#topl

Verein Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltung. Band 52, 1912, S. 461 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): „Am 1. der Mai 1912 wird die normalspurige Bahnstrecke Oker–Bad Harzburg als Nebenbahn mit dem Bahnhof IV. Klasse Harlingerode für den Personen-, Güter-, Gepäck- und Privattelegrammverkehr sowie für die Abfertigung von Leichen und lebenden Tieren und dem Haltepunkt Schlewecke für den Personen-, Gepäck- und Privatdepeschenverkehr eröffnet.“


Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft / Reichsbahndirektion Magdeburg / Betriebsamt Goslar / Verkehrsamt Halberstadt: Anschlussgleisanlage der Firma H. Klages, Dampfsägewerk u. Holzhandlung in Harlingerode auf Bahnhof Harlingerode. Schmiedekind, April 1926.



Lageplan für den Gleisanschluß der Fa Harz-Lahn-Erzbergbau A.G. Datum unbekannt, 1935-1960 ist möglich.


Regionalverband Großraum Braunschweig: Informationsvorlage - 2021/070-E1. Juli 2021.

Commenti


Über uns

Wir sind seit 2001 der Bürger- und Heimatverein im Stadtteil, zusammengesetzt aus Harlingeröderinnen und Harlingerödern aller Bereiche. Schon in der Vergangenheit haben wir uns kulturell und bürgernah für unsere Ortschaft eingebracht und engagieren uns auch weiterhin, Harlingerode zu stärken.

Mehr erfahren

 

Unser Newsletter

Vielen Dank für Ihre Nachricht!

© 2020 - 2024 Harlingerode PUR. Erstellt mit Wix.com

bottom of page